Unser Rucksack – auf der Wanderung des Lebens
Auf unserem Weg tut sich was, das war schon immer so. Bewegung in allem was ist. Familie, Firmen-Gründung, Entwicklung, Veränderung und nun Pensionierung. Ruhestand wohlbemerkt, nicht Stillstand. Ich gestehe, eine ganz neue Situation. Immer öfters nehme ich nun meinen Rucksack ab, schau rein und sortiere, denn, wenn er drückt, nimmt er Leichtfüßigkeit.
Heute zurückblickend, bei Pensionsantritt sei dies kurz erlaubt, sehe ich auf aktive Jahre voller Tun, viel Begeisterung und Ehrgeiz, gar manches Mal auch bloßes Reagieren. Annahme der Situationen und damit eine innere Zusage an gerade dieses Leben. Oft war diese Gangart echt anstrengend, aber auch Lebenselixier, eine Sprungfeder, eine Befriedigung der immerwährenden Neugierde auf das Leben und den daraus entstehenden Resultaten, die oft als Teilerfolg gewertet oben im Rucksack landeten.
Ganz unten findet man meist vergessene Kostbarkeiten, genauso alten Ballast oder abgelaufene Glaubenssätze. Eine altersbedingte, erstrebenswert etwas weisere Betrachtung ermöglicht Sortierung und schafft neuen Raum.
Ein Blick in die Kindheit
Die Erstbefüllung des Rucksacks
Unser Aufwachsen war eine vorgegebene Wirtschafts-Kindheit auf dem Berg, die wir 5 Geschwister vor über einem halben Jahrhundert im Gesamtpaket genossen. Wirklich paradiesisch, aber auch rauh wurden wir ziemlich ehrlich auf das Leben vorbereitet. Neben der unbändigen Freiheit unserer gefühlt grenzenlosen Welt, waren früh verantwortungsvolle Verpflichtungen zweifelsfrei anzunehmen. Innerhalb der Geschwisterreihe und im kaum bewältigbaren Tagesgeschäft der Eltern. Als einer der vielen Grundsätze begleitete mich merklich die knappe Anweisung, die damals wahrscheinlich zu oft ziemlich forsch hieß: "Frag nicht lange, tu´s einfach!" Für langatmige Erklärungen war keine Zeit, weil sofortiger Einsatz gefordert war. Ganz zu schweigen von Willensdiskusionen.
Wertfrei betrachtet
Informationsflut oder -mangel?
Informationsquellen und Zeit für Erziehungsfragen gab es selten, diese Generation tat, was sie konnte und mußte. Man hatte existenzielle Sorgen. Der gegensätzliche Lebensstil unserer Gäste, der uns als Kinder ungläubig staunen ließ, wurde als "verwöhnt" erklärt. Ein selbsttröstendes Urteil, um am Eigenen leichter zu tragen? Mancher Schein wurde auf unserem einfachen Berg sowieso unbarmherzig seines Glanzes entledigt, weil er dort ganz einfach nicht wirkte. Wir fühlten als Kinder eine kuriose Überlegenheit den Gästekindern gegenüber, wenn wir ihr "Alles Haben" zwar insgeheim beneideten, aber nicht tatsächlich brauchten. Die spärliche, jedoch erfüllte, wilde Freizeit in der Natur war uns genug. Wir konnten unbeobachtet unsere Grenzen erobern. Welch Privileg! Das wiederum verstanden die Gäste im Vorzeige-Gewand ganz schlecht. Mit jeder Beule oder zerrissenen Hosen kamen wir selbverständlich zurecht, während die urlaubenden Mamas stundenlang zum Trocknen der Tränen verurteilt waren. Interessanter wie fernsehen war dieses Geschehen für uns - in der steten Beobachtungsposition. Spannend, dass es damals schon ein paar wenige Gästekinder gab, die sofort intuitiv versuchten, dem ganzen Gehabe zu entsagen und viel lieber mit uns unterwegs waren, oft zum puren Entsetzen ihrer Eltern. Vielleicht ist etwas davon in ihrem persönlichen Rucksack geblieben.
Die Sache mit dem Ego
Herausforderungen des Lebens
Oh ja das Ego, das wurde in der prägenden Epoche unserer Kindheit höchst selten als wichtig, geschweige als brillant hervorgehoben. Es fehlten auch die Bewunderer dafür in unserer reduzierten Welt auf dem Sonderdach mit nur zwei Familien. Äußerer Erfolg sollte erst verdient werden - falls überhaupt erstrebenswert - vermutlich als Aufgabe. Doch manchmal sah ich, spärlich dosiert, eine Anerkennung in den Augenwinkeln, besonders meines Vaters, als Stolz hervorblitzen. Ohne Worte wussten wir Kinder, dass er uns dadurch Dinge zutraute, von denen wir selber noch nicht einmal etwas ahnten konnten. Dies hatte eine Kraft, mich über lange Zeit zu beflügeln. Diese Urkraft, zeitweise schlummernd, gab mir die notwendige Lebensenergie. Berechtigt umstritten in der Pädagogik, waren viele Erfahrungen in der Schule meines Lebens jedoch wesentliche. Und ja, ich tat mir eh manchmal selber ein bisschen leid. Und wenn man sich dann genug leid getan hat, folgt die Erkenntnis: es war eben auch für Etwas gut. Nützlich für mich und auch für andere. Alle Herausforderungen des Lebens als ein Rädchen im Getriebe meistern zu wollen, damit das große Ganze nicht stoppt, stellte sich mir dadurch nie als Frage.
Richtig oder richtungsweisend?
Selber ahnte ich, dass manches sich nicht richtig anfühlte, schwor mir bockend und rebellisch, einmal alles anders zu machen. Alles ging zu schnell im Strudel der prallgefüllten Jahre. und ich machte so vieles genauso! Anpacken, im steten Tun immer neue Energie entwickelnd war mein Credo. Ich kannte dieses Phänomen auch aus dem Sport, meinen treuesten Wegbegleiter. Durch aufbauendes Training im gesunden, aeroben Bereich stets neue Energie zu erhalten, konditionell und muskulär- das Prinzip des erfolgreichen Resultates leuchtet ein und: dass auch die permanente Unterforderung ein System schwächt. Der schmale Grat zur Überforderung, ungeachtete Grenzen wurde dabei nochmals präsent. Diese Prozesse gehören genauso dazu und es ging, abgesehen von wiederum ein paar richtig blauen Flecken und Beulen, nochmals gut. Vielleicht, weil die Grunderfahrung unten im Rucksack lag, dass da eine große Kraft in uns selber ist, die es gut und bewusst zu nähren gilt. Die Gesundheit wertzuschätzen und zu pflegen, durch lebendige Nahrung für Körper und Geist. Mit der Natur und der Familie als unversiegbare Energie Quelle, mit der unbändigen Freude an Bewegung und Wachstum und der immer noch präsenten Neugierde auf das Leben. Die Gewissheit, dass man Dinge dadurch schaffen kann, hat mir sehr bei meinem persönlichen Tragen geholfen.
Pausen würde ich rückblickend zugunsten genau dieser Kraft öfters machen. Mir auch mal beim Tragen helfen lassen und den Rucksack einfach kurz ablegen und aus vollem Herzen tanzen.
Das Leben im Wandel
Vermeintlicher Ballast kann sich zu wahren Schätzen wandeln. Meine Rebellion endete in einer wertvollen pädagogische Ausbildung. Alle Herausforderungen ergaben ein Bedürfnis zu einer lebens-begleitende Fitness. Das erfahrene Körperbewusstsein in der Kindheit einen sorgsamen Umgang mit der Gesundheit als Geschenk. Ohne dies alles hätten wir das Pensum gemeinsam nie geschafft. Dankbarkeit macht sich breit, auch für alle Hürden. Aus Verurteilungen werden Verständnis und Achtung. Nun gehe ich mit meinem Rucksack freudigst in die nächsten Teilstrecke, ohne langes Hinterfragen. Die wesentlichen Antworten kann sowieso allein das Leben geben, vielleicht gleich, vielleicht irgendwann.
Unsere Söhne Philipp und Pascal haben mit Begeisterung entschieden und die Firmenübernahme wird mit meiner Pensionierung nun auch rechtskräftig. Unsere Rucksäcke werden umgefüllt. Der nötige Tatendrang ist als Generationserbe unübersehbar. Mein Mann darf noch ein paar Jährchen und übernimmt das Ruder als Senior Chef. Dafür bin ich ihm von ganzem Herzen dankbar. Eine schöne, wertvolle Aufgabe, wie wir alle finden. Es ist Platz für dieses Miteinander.
Mein momentanes Privileg, mir meinen zukünftigen Einsatz in der Firma aussuchen zu dürfen, nehme ich als Gunst der Stunde und mache mich voller Vertrauen erleichtert auf den weiteren Weg. Ein Grund zum Feiern, finden wir .